ZEIT - 7.45 Uhr vor Schulen: Elterntaxis im Eskalationsmodus / BiciBus

SM • 2. November 2024

Im Herbst fahren noch mehr Eltern ihre Kinder zur Schule als im Sommer. Initiativen wollen das nicht länger akzeptieren

Autor: Sören Götz


Viele Kinder werden mit dem Auto in die Schule gebracht. Bedeutet: Stau, Stress, Unfälle. Es gibt Ideen, wie es anders ginge. Aber da ist diese Sache mit dem Vertrauen.


Verstopfte Straßen, hupende Autos, Parken in zweiter Reihe, dazwischen schlängeln sich Kinder zu Fuß oder auf dem Rad hindurch: Solche Szenen spielen sich morgens und mittags vor vielen Schulen ab. Das Problem: zu viele Elterntaxis.

Jedes vierte Grundschulkind wird an mehr als der Hälfte der Tage zur Schule gefahren. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der ADAC-Stiftung. Im Frühling und Sommer bringen demnach 23 Prozent der Eltern ihre Kinder an mindestens drei oder vier Tagen pro Woche mit dem Auto in die Schule, im Herbst und Winter sogar 28 Prozent. Gleichzeitig finden 62 Prozent der Eltern, dass es morgens und mittags zu viel Autoverkehr vor den Schulen gebe. 56 Prozent sagen, dass durch Elterntaxis gefährliche Verkehrssituationen entstünden.


Eltern vertrauen ihren Kindern weniger

Warum entscheiden sich dann trotzdem so viele Eltern dafür, das Kind zu fahren? Ein Grund sei eine verzerrte Selbst- und Fremdwahrnehmung, sagt Yvette Orlowski, die in Karlsruhe als Verkehrspsychologin arbeitet. "Ich halte mich für eine gute Verkehrsteilnehmerin, alle anderen aber nicht", sagt Orlowski mit Verweis auf eine aktuelle Studie der Unfallforschung der Versicherer (PDF). "Die Fähigkeit zur Selbstreflexion hat nachgelassen."


Aber auch das Vertrauen in die Fähigkeit des eigenen Kindes habe abgenommen, sagt die Verkehrspsychologin. Tatsächlich fielen bei der Fahrradprüfung in der vierten Klasse der Grundschule mehr Kinder durch als früher. "Manche Eltern nehmen sich zu wenig Zeit für die Verkehrserziehung ihrer Kinder", sagt Orlowski.

Würden die Eltern mit den Kindern regelmäßig zur Schule laufen oder gemeinsam mit dem Rad fahren, könnten sie ihnen unterwegs viel beibringen und das Vertrauen gewinnen, dass ihre Kinder das irgendwann auch allein können. Aber es fällt Eltern zunehmend schwer, das in ihren Alltag einzubauen. Schließlich arbeiten heute viel häufiger als früher beide Elternteile.


Der BiciBus und seine Vorzüge

In den vergangenen Jahren haben sich vermehrt Eltern zusammengeschlossen, die diese Entwicklung nicht länger hinnehmen wollen. Bei Plan D von ZEIT ONLINE etwa fand das Konzept des BiciBus großen Zuspruch. Die Idee kam 2020 aus Barcelona nach Deutschland. Übersetzen lässt sich BiciBus mit Radbus. Kinder fahren gemeinsam zu einer festen Uhrzeit eine bestimmte Route zur Schule. Je nach Gruppengröße werden sie von einem oder mehreren Erwachsenen begleitet. An festgelegten Orten können sich weitere Kinder anschließen, so wie sie an Haltestellen in einen Bus einsteigen würden.


Manche Vorteile sind offensichtlich: Es muss nicht jedes Kind jeden Tag von demselben Erwachsenen begleitet werden. Und Gruppen sind auf der Straße besser sichtbar als einzelne Kinder. "Schon Sechsjährige sagen uns, dass sie sich in der Gruppe sicherer fühlen", berichtet Simone Markl, die gemeinsam mit ihrem Mann Klaus in Frankfurt am Main 2021 einen der ersten deutschen BiciBusse ins Leben gerufen hat und die Seite bicibus.de betreibt. Die beiden haben einen siebenjährigen Sohn.

Der BiciBus hat aber noch einen weiteren, weniger offensichtlichen Vorzug: Ab 16 Radfahrern bildet eine Gruppe einen geschlossenen Verband. Dann dürfen auch Kinder unter acht Jahren mit auf der Straße fahren, die laut Gesetz noch auf dem Bürgersteig fahren müssten. Ein solcher Verband darf außerdem eine Kreuzung geschlossen überqueren. Springt die Ampel währenddessen auf Rot, dürfen die Teilnehmer trotzdem weiterfahren.

Es fehlen engagierte Eltern

Inzwischen listen Simone und Klaus Markl auf ihrer Webseite in mehr als 40 Städten Initiativen auf, denen Eltern sich anschließen können. In Frankfurt unterstütze sogar die Stadtverwaltung die Organisation, sagt Simone Markl. 

Allerdings fährt bislang ihren Angaben zufolge noch keiner der BiciBusse täglich. Es fehle vor allem an Eltern, die regelmäßig mitfahren, sagt Simone Markl. Das sei die größte Herausforderung. "Viele trauen es sich nicht zu, dabei ist es ganz einfach."


Verkehrspsychologin Orlowski allerdings kann verstehen, wenn Eltern vor der Verantwortung für eine Radfahrgruppe zurückschrecken: "Man kann ja nicht sicher sein, dass fremde Kinder auf einen hören." Klaus Markl betont, dass die Kinder auf dem Schulweg automatisch unfallversichert seien – auch im BiciBus. Vielleicht würden sich leichter Eltern finden, wenn sie für den BiciBus bezahlt würden, sagt Markl, in Portugal sei das üblich.

Pedibusse für die Kleinen

Auch eine andere Idee, die Elterntaxis reduzieren und Kinder zur Selbstständigkeit anleiten soll, bräuchte mehr engagierte Eltern. Sogenannte Laufbusse oder Pedibusse funktionieren wie der BiciBus. Sie bieten sich besonders für Grundschülerinnen an, die keinen weiten Weg haben. Allein an 24 Münchner Schulen gebe es "Busse mit Füßen", teilt die Stadtverwaltung mit, etwa 260 Kinder liefen täglich mit. Vermutlich sind es noch mehr, da es nicht zwingend einer offiziellen Anmeldung bei der Stadt bedarf. Das Mobilitätsreferat unterstützt aber bei Bedarf bei der Organisation.


Die Idee für den Pedibus soll aus Australien stammen und verbreitete sich Ende der Nullerjahre in Europa. Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) bewerbe seit etwa 15 Jahren Laufbusse, sagt Projektbearbeiter Nikolai Palmer, insbesondere bei Aktionstagen am Beginn des Schuljahres. Das Ziel sei, dass die Gruppen irgendwann ohne Eltern gemeinsam zur Schule laufen. Daten dazu, wie viele Pedibusse in Deutschland verkehren, hat der VCD nicht.

Neben solchen Initiativen hält Verkehrspsychologin Orlowski vor allem ein Modell für erfolgversprechend, um Elterntaxis zu verhindern: Wettbewerbe, bei denen Schüler und Schülerinnen Punkte sammeln, wenn sie ohne Auto zur Schule kommen.

Schulradeln heißt eine solche Aktion, die es in vielen Bundesländern gibt. Die Kinder werden dabei als Klasse oder Schule ausgezeichnet, erhalten teilweise einen Preis wie etwa ein Fahrradschloss oder eine -tasche. "Dann betteln Kinder bei ihren Eltern, dass sie nicht mit dem Auto gefahren werden wollen", sagt Orlowski. Das bringe manche Familien vielleicht zum Nachdenken. Auf ihre Kinder hören Eltern schließlich eher als auf andere Eltern.


Auch klassische Schülerlotsen fehlen

Schon lange, bevor es Konzepte wie BiciBusse und Pedibusse gab, sorgten Schulweghelfer, auch Schülerlotsen genannt, für einen sicheren Schulweg und beruhigte Eltern. Sie stehen an Kreuzungen und Zebrastreifen und schauen, dass kein Kind unbedacht über die Straße rennt und Autos bei Bedarf halten. In München zum Beispiel sind rund 540 Ehrenamtliche im Einsatz, das können Eltern oder ältere Schüler sein. Eine interaktive Karte, auf der Eltern den sichersten Schulweg für ihr Kind planen können, zeigt jedoch, dass viele Orte, wo Schülerlotsen stehen sollten, unbesetzt sind.

So scheint neben dem Vertrauen der Eltern in die Fähigkeiten ihrer Kinder und dem Misstrauen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern das Hauptproblem zu sein, dass sich zu wenige Eltern freiwillig engagieren. Das liegt nicht nur daran, dass die Eltern mehr arbeiten als früher – sondern auch an den eng getakteten Terminkalendern mancher Kinder. Tatsächlich gaben nur elf Prozent der Eltern in der ADAC-Umfrage Sicherheitsbedenken als Grund fürs Elterntaxi an. Noch vor schlechtem Wetter (38 Prozent) und "Schule liegt auf dem Arbeitsweg" (30 Prozent) war die häufigste Begründung: Anschlusstermine des Kindes (39 Prozent).



25. März 2025
Herzliche Einladung für alle BiciBus-Interessierte (und solche, die es noch werden wollen)! Das quartalsweise digitale Vernetzungstreffen soll dazu dienen, voneinander zu lernen und vor allem den positiven Spirit weiterzutragen. ZOOM-Link Meeting-ID: 754 402 5311 AGENDA für den 28.03.2025 Erfahrungsberichte Aktuelle Herausforderungen Infos zu BiciBus in ländlichen Regionen Austausch & Vernetzung
17. März 2025
Veranstaltung der Landesverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) @lnvg.niedersachsen am 18.03.2025 zum Thema nachhaltige Schulwegmobilität mit Praxisbeispiel "BiciBus im ländlichen Raum" . Teilnahme kostenlos Anmeldung
von sm 14. März 2025
Unser Fachbeitrach im Magazin "Forum Kinder- und Jugendsport"
5. März 2025
Wir unterstützen die Initiative des BUND Kreisverband Biberach. Beim Autofasten geht es darum, während der Fastenzeit ganz oder teilweise auf Deine Autofahrten zu verzichten. Insbesondere bei Kurzstrecken bis 6 km. Heute beginnt die Fastenzeit - von Aschermittwoch bis Karsamstag! Vorfahrt für Rad-, Fuß- und ÖPNV-Mobilität Mitmach-Kalender zum Download unter auto-fasten.de
14. Februar 2025
🚲🚲Gestern tagte und entschied die Jury über die Siegerprojekte des Deutschen Fahrradpreises. Wer es in die engere Auswahl geschafft hat bleibt abzuwarten - die Spannung steigt! 👨‍👩‍👦 Aus eigener letztjähriger Erfahrung möchten wir dieses tolle Erlebnis und die Wertschätzung der Juroren sowie den Initiatoren des Preises - BMDV und AGFS - nicht missen. ❤️ Unsere ehrenamtliche Initiative BiciBus hat mit dem Gewinn des Deutschen Fahrradpreises einen wahnsinnigen Rückenwind erfahren: 🚀Immer mehr Kommunen und Schulen entdecken den BiciBus als bewegten Schulweg und ermöglichen damit eine integrative Mobilitätsbildung. 🚲Denn kaum ein anderes Verkehrsmittel trägt mehr zur gelebten Integration und Inklusion von Kindern bei und fördert damit deren Teilhabe. Ganz einfach durch das Radfahren… 🏆 Die Preisverleihung des Deutschen Fahrradpreises wird in den Kategorien Infrastruktur, Service & Kommunikation sowie Ehrenamt verliehen. Wir sind gespannt, wer unsere Nachfolge in der Kategorie „Ehrenamt“ antreten darf. ✊ Wir drücken allen Bewerbern hierfür die Daumen! @bmdv @deutscherfahrradpreis @oberbuergermeisterffm @wolfgang.siefert #dfp #fahrrad #ehrenamt #verkehr #kinder #schule #bicibus #adfc #vcd #sustainability #ridesafe #cool
von SM 5. Februar 2025
„Immer mehr Menschen fühlen sich einsam“, heißt es immer häufiger in Studien. Dabei ist Einsamkeit oftmals das Erleben von Bezugslosigkeit. Der BiciBus ermöglicht eine mitgestaltende Integration in die generationsübergreifende Rad-Community. Wir bauen Brücken aus der Einsamkeit heraus und stärken damit die Teilhabe in unserer Gesellschaft. Unsere BiciBus-Gemeinschaft bietet vor allem ein Gesehenwerden und unterstützt gleichzeitig, den BiciBus-Teilnehmern von A nach B zu kommen. "Wer zu lange alleine ist, wird wunderlich" - so wurde in einer TV-Sendung das Altern leicht verständlich Kindern beschrieben. Wenn wir die Einsamkeit in ein soziales Mit- und Füreinander sowie in die Stärkung der Interkommunikation wandeln, wird aus „wunderlich“ wunderbar! Let's go BiciBus!
27. Januar 2025
Information zur Radfahrausbildung Januar 2025 Der Glaube, dass Grundschüler erst ab der 4. Klasse bzw. nach bestandener Radfahrprüfung mit dem Fahrrad zur Schule fahren dürfen ist ein weit verbreiteter Rechtsirrtum. Der umgangssprachlich sogenannte “Fahrradführerschein” besitzt keine rechtliche Wirkung, sondern rein symbolischen Charakter. Etwaige schulische Verbote für Grundschüler, mit dem Fahrrad zur Schule zu kommen, sind rechtswidrig und somit illegal. Die Illegalität solcher Verbote ist darin begründet, dass es kein gesetzliches Verbot für Kinder gibt, noch nicht einmal für Kleinkinder, mit dem Fahrrad zur Schule, Kita oder Hort zu fahren. Das Erziehungsrecht und somit die Wahl des Schulweges obliegt gem. Art. 6 GG einzig den Eltern. Hinzu kommt in den meisten Bundesländern ein gesetzlicher Lehrauftrag zur nachhaltigen Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler. Kaum etwas ist umweltfreundlicher und somit nachhaltiger als Radfahren. Wenn das Lehrpersonal oder Schulleitungen auf die Rechtswidrigkeit des Radfahrverbotes hingewiesen werden, wird das “Verbot” in der Regel zur “Empfehlung” umdefiniert. Dennoch ist eine solche Empfehlung nicht nur kontraproduktiv, sondern sogar gefährdend, da Studien nachgewiesen haben, dass die fahrtechnischen Fähigkeiten von Kindern, Jugendlichen und sogar noch von Erwachsenen stark abhängig vom Eintrittsalter sind. Das bedeutet, umso später Kinder mit dem Radfahren beginnen, desto höher ist aufgrund unzureichender Fähigkeiten das spätere Unfallrisiko. www.bicibus.de info@bicibus.de
27. Januar 2025
Wenn wir Kindern und Jugendlichen zu mehr selbständiger Mobilität verhelfen wollen, benötigt es einfache Strukturen der Umsetzung. Warum also nicht direkt in den Alltag integrieren und jeden Freitag den BiciBus-Friday nutzen? Kinder und Jugendliche benötigen Bewegungsräume um ihre motorischen Fähigkeiten zu entwickeln, ihre Kreativität zu fördern und soziale Interaktion zu erleben. Hierzu zählt vor allem auch der Schulweg! Im BiciBus fördern die begleitenden Schulweghelfern damit nicht nur die Sicherheit der Kinder im Straßenverkehr sondern unterstützen diese in ihrer körperlichen Aktivität und deren Umweltbewusstsein.
von SM 10. Dezember 2024
BiciBus-Erfahrungen teilen 2021 starteten wir die Initiative BiciBus-Deutschland. Mittlerweile ist bundesweit sehr viel passiert… Durch die Auszeichnung des Deutschen Fahrradpreises sind viele neue BiciBusse initiiert worden. 🏫 Bist Du Interessiert auch an Deiner Schule einen BiciBus zu starten? Dann schreib uns gerne unter ✍️info@bicibus.de oder nimm an unserem bevorstehenden digitalen Netzwerktreffen teil. 💬 Wir möchten gewonnene Erfahrungen und Lösungen an engagierte Interessierte bzw. Kommunenvertreter weitergeben. Vernetzen Unsere regelmäßigen digitalen Treffen haben dazu beigetragen, bestehende Herausforderungen zu diskutieren und Lösungen zu finden. 🗓️ Am Freitag, 13.12.2024 um 20 Uhr treffen wir uns noch einmal in diesem Jahr. h
von SM 10. Dezember 2024
Heute ist internationaler #TagDesEhrenamtes. ❣️Das ist ein wichtiger Anlass, um allen BiciBus-Helfern, Danke zu sagen! 🎉 Das Ehrenamt wie der Bicibus ist eine wunderbare Möglichkeit, Kindern eine sichere und umweltfreundliche Fahrt mit dem Fahrrad zur Schule zu ermöglichen. 🚲Unsere ehrenamtlichen Begleitpersonen unterstützen damit nicht nur die Sicherheit der Kinder im Straßenverkehr, sondern fördern damit auch die körperliche Aktivität und das Umweltbewusstsein. Es werden soziale Bindungen und ein Gefühl der Zugehörigkeit innerhalb der Gemeinschaft gestärkt. 👉❤️Euer Engagement fördert den sozialen Zusammenhalt und ermöglicht es Kindern/Jugendlichen aus unterschiedlichen Herkünften, gemeinsam aktiv zu sein, Spaß zu haben und voneinander zu lernen. 🙏 Ein herzliches Dankeschön an alle, die sich für den BiciBus einsetzen!
Show More
Share by: